Expedition 2013 (2/5) – 4 Tage ganz unten

Tag 3 (Sonntag 11. August)

Um ca. 13 Uhr steigen Thomas, Janguy und Pierre durch den 11er-Kogelschacht bis zur Kontaktstelle hinab und hinterlassen dort einen Flachmann, natürlich mit Schnaps gefüllt 🙂 . Beim Aufstieg bauen sie alle Seile oberhalb der Kontaktstelle aus dem 11er-Kogelschacht aus, da wir in Zukunft aufgrund des wesentlich einfacheren und kürzeren Weges durch die Plattenhöhle in die unteren Teile des Höhlensystems hinabsteigen werden. Sie kommen erst um 04:00 zurück.

Tag 4 (Montag 12. August) – Abstieg ins Biwak

Der Plan für heute sieht folgendermaßen aus:
Eine größere österreichisch-französische Gruppe soll durch die Plattenhöhle bis zur Kontaktstelle in 200m Tiefe absteigen, die beiden Höhlen offiziell zusammenschließen und anschließend die Höhle wieder verlassen. Dieser Gruppe gehören Hans, Rudi, Christoph sowie Bérénice und Pierrot (beide wegen Verletzungen mit einer Schiene am Knöchel unterwegs!!!) an. Sie müssen in 2 kleinere Stufen und in den 19m-Schacht noch Seile einbauen, da mir bei der letzten Tour kurz vor der Kontaktstelle das Befestigungsmaterial ausgegangen ist. Ausreichend Seil dafür habe ich damals jedoch vor Ort gelassen.
Eine zweite, 3 Mann starke Gruppe soll etwas später zu einer 4-tägigen Tour zum „Biwak 2011“ in 400m Tiefe absteigen. Dieser Gruppe gehören Yoann, Yann und ich an. Die
Gruppe mit Guide Hans steigt um ca. 10:00 in die Plattenhöhle ein, ich steige mit der zweiten Gruppe um 15:45 ein. Im Ginnungagap treffen wir die aufsteigende Gruppe von
Hans. Sie haben an der Kontaktstelle den Flachmann gefunden, den die Gruppe um Thomas am Sonntag hinterlassen hatte. Damit ist der Zusammenschluss von Plattenhöhle und 11er-Kogelschacht nun perfekt.

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Hans bei der Kontaktstelle (Foto: Gruppe Hans)

Nach einem kurzen Gespräch setzen wir unsere Wege fort. Wir erreichen um 17:45 die Kontaktstelle und genehmigen uns natürlich auch einen Schluck aus dem Flachmann. Jetzt beginnt für mich das Neuland und Yoann, für den diese Tour bereits die 4. oder 5. runter ins Biwak ist, übernimmt die Führung. Am Ende des Kontakcanyons seilen wir uns einen 30m-Schacht ab und es beginnt ein enger, hoher und sehr, sehr langer Mäander, der uns in den nächsten 2 Stunden ziemlich was abverlangen wird. An manchen Stellen ist er bis zu 30m hoch oder sogar noch höher bzw. tiefer. Für Abwechslung zwischendurch sorgen ab und zu einige Schächte, durch die wir immer weiter nach unten kommen.
Gegen 21:00 seilen wir uns am Ende des Mäanders auf eine breite Stufe in eine sehr hohe Halle ab. Gerade als Yoann sich als erster den folgenden 40m-Schacht abseilen will, wird aus einem eben noch friedlich plätschernden Bächlein, das auf unserer Stufe wieder im Felsen verschwindet, von einer Sekunde auf die Andere ein richtiger Wasserfall. Die Ursache war wohl ein Regenschauer. Der ursprüngliche Wasserlauf kann das viele Wasser nicht mehr aufnehmen und das Wasser stürzt nun den Schacht, den wir runter müssen, hinab. Abseilen wäre unter diesen Umständen nicht ganz ungefährlich, und bei 3° Lufttemperatur wollen wir, wenn es sich irgendwie einrichten lässt, trocken bleiben – also warten.

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Unser kleines Zelt, in dem wir auf den Rückgang des Wassers warteten
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Yoann und Yann beim Warten im Zelt

Da wir nicht wissen, wie lange das Hochwasser anhält, bauen wir uns aus Alu-Rettungsdecken ein kleines Zelt, das wir mit 2 Karbidlampen heizen. Es wird zwar schnell angenehm warm, aber nach und nach kriecht uns die Kälte trotzdem ins Gebein.

Nach ca. 2 ½ Stunden zieht sich das Wasser wieder in seinen ursprünglichen Wasserlauf zurück und wir können den Schacht runter. Der Charakter der Höhle hat sich nun schlagartig geändert. Wir „gehen“ nun über (und manchmal auch unter) große Felsblöcke durch geräumige, hohe Gänge und Hallen, es geht manchmal rauf, meistens aber runter, manchmal mit und manchmal ohne Seil, es sind aber nur mehr verhältnismäßig kleine Stufen. Wir werfen auch einen kurzen Blick in das in einer Nische etwas versteckt liegende „Biwak 2010“, nach einer weiteren Stunde kommen wir schließlich um 02:10
beim „Biwak 2011“ an. Wir holen noch von einem ca. 10 Minuten entfernten Wasserlauf Wasser, dann richten wir uns im Biwak ein und essen etwas. Um 04:20 Nachtruhe.

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Unsere Wasserstelle unweit von Biwak 2011
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„Biwak 2011“, ca. 400 Hm unter dem Eingang der Plattenhöhle
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Yann und Yoann im Biwak 2011

Tag 5 (Dienstag 13. August) – Suche nach einer Fortsetzung

Ein kurzer Blick auf unsere Uhren und wir grinsen uns ungläubig an, es ist 14:45 :). Wir haben fast den ganzen Tag verpennt. Jetzt muss es aber schnell gehen, Frühstücken, die Schleifsäcke packen usw.. Um 16:45 sind wir abmarschbereit.
Unser Ziel ist der ca. 1 Stunde entfernte Endpunkt der Forschungen von 2011, zugleich auch der bisher nördlichste Punkt im unteren Höhlenbereich. 2011 musste dort das Team um Yoann an einer Kletterstelle umkehren. Auf dem Weg dorthin müssen wir Schächte rauf und runter, Schächte queren und einige frei kletterbare Stufen überwinden. Unser Weg führt uns auch durch den Fledermaus-Gang, in dem 2011 eine lebende Fledermaus gesichtet wurde (400 Höhenmeter unter dem tiefsten derzeit bekannten Eingang!). Das ist auch noch aus einem weiteren Grund bemerkenswert: Hans und ich haben in der Plattenhöhle in all den Jahren weder eine Fledermaus noch Spuren von Fledermäusen bemerkt. Nachdem wir am Endpunkt 2011 angekommen sind, bohrt sich Yann eine ca. 8m hohe Stufe hinauf. Ich sichere ihn dabei mit dem mitgebrachten Kletterseil. Yoann baut inzwischen ein Zelt aus Rettungsdecken, damit wir einen Platz zum Aufwärmen haben.

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Yann arbeitet sich mühsam nach oben

Oben gibt es zwei im Verhältnis zu den großen Gängen da unten eher kleinräumige Fortsetzungen. Zuerst folgen wir dem rechten Gang ca. 50m bis zu seinem Ende. Der linke Gang bringt uns zu einem ca. 4m hohem Canyon, an dessen Boden ein kleiner Fluss fließt. Wir klettern ab und folgen dem Fluss, der uns im Uhrzeigersinn in einem weiten Bogen wieder zum Endpunkt 2011 bzw. etwas unterhalb davon zurückbringt. Wir klettern über eine Stufe wieder zum Endpunkt 2011 hinauf.
Yann bohrt sich beim Endpunkt 2011 noch an einer anderen Stelle, bei der wir eine Fortsetzung vermuten, hinauf. Da aber schon bald das letzte Seil aufgebraucht ist, brechen wir ab und kehren zum Biwak zurück, wo wir um 01:55 ankommen. Wir holen noch Wasser und machen uns etwas zu essen, um 03:00 kriechen wir in die Schlafsäcke.

Tag 6 (Mittwoch, 14. August) – Neuland

Heute schlafen wir nur 12 Uhr mittags. Um 13:30 brechen wir mit einem zusätzlichen Seil wieder zum Endpunkt 2011 auf. Dort angekommen bohrt sich Yann bei der Umkehrstelle von gestern die letzten Meter hinauf, Yoann und ich folgen ihm. Oben tut sich ein gewaltiger Gang auf: Fast immer 5 bis 10m breit und 10 bis 20, manchmal sogar über 30m hoch. Wir folgen diesem Gang und müssen dabei ständig kleinere, frei kletterbare Stufen auf- und abklettern. insgesamt steigt der Gang jedoch leicht an. Sehr interessant: Im Gegensatz zu allen anderen Gängen da unten in zieht dieser Gang in nördliche Richtung, also Richtung Nordwand 12er-Kogel. Ebenso interessant: Wir finden auch das Skelett einer Fledermaus.

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das Skelett einer ca. 5 cm großen Fledermaus

Nach geschätzten 300m (wir vermessen heute nicht) kommen wir zu einer nicht mehr frei abkletterbaren Stufe. Unten fließt ein 2-3m breiter, ruhiger Bach. In der Ferne hört man einen Wasserfall. Hier müssen wir leider umkehren, da wir kein Seil mehr haben.

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Zu diesem Flüsschen konnten wir leider nicht runterklettern.

Um 19:00 kommen wir wieder beim Biwak an, heute war ein kurzer und nicht ganz so anstrengender Tag. Und das ist auch gut so, denn morgen steht uns der anstrengende Aufstieg bevor. Vor dem Einschlafen stellen wir den Wecker einer Uhr auf 02:00, wir wollen bald aufbrechen.

Tag 7 (Donnerstag, 15. August) – Rückkehr ans Tageslicht

Der Aufstieg verläuft problemlos, es fällt nur auf, dass ich beim Aufsteigen am Seil wesentlich langsamer bin als meine Kollegen. Die beiden verwenden im Gegensatz zu mir eine zusätzliche Klemme am Knöchel, damit laufen sie fast am Seil hoch. Außerdem ist ihr Steigzeug perfekt optimiert, was ich von meinem nicht gerade behaupten kann.
Um ca. 06:30 erreichen wir die Kontaktstelle, ab jetzt wird es einfacher. Nach einer kurzen Pause einen Schacht unterhalb des VBLs bringen wir die Sache zu Ende und erreichen um 08:45 den Eingang der Plattenhöhle. Draußen empfängt uns strahlender Sonnenschein.

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Yann und Yoann vor dem Eingang der Plattenhöhle

Nach einer kurzen Pause steigen wir zur Eiskapelle auf. Vor dem Eingang der Eiskapelle sitzen Hans, Rudi und Markus in der Sonne. Heute ist mehr oder weniger ein Ruhetag, es steht keine größere Höhlentour auf dem Programm. Nur Janguy und Pierre vermessen eine neu entdeckte, ca. 150m lange Höhle.
Für Hans und Rudi geht die Expedition heute wie geplant zu Ende, Hans steigt um 11:00 ins Tal ab, Rudi um 13:00.
Um 16:00 brechen Bérénice, Yoann, Yann, Pierrot und ich zur Pühringerhütte auf. Dort gönnen wir uns Schweinsbraten, Bier und Zirbenschnaps. Um 22:00 kommen wir wieder bei der Eiskapelle an.

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von links: Pierrot, Yann, Yoann und Bérénice